L12-2, stark, gut, günstig

Über ebay bin ich schon vor Jahren auf einen kleinen, feinen Verstärker chinesischer Herkunft gestossen, der L12-2 von LJM. Zwar ist das ein Verstärker nach LIN-Topologie, aber er weist einige Besonderheiten auf, die es wert erscheinen lassen ihn hier zu besprechen.

Leider gibt es auch hier eine Reihe von Nachahmern und Plagiaten, welche nicht das Niveau und die Qualitäten des Originals erreichen.

Die originalen LJM sind am Logo-Aufdruck auf den Platinen erkennbar.

Sicher bekommt man Originale über LJM´s Shop auf der Plattform TaoBao.

Hier zunächst Bilder und Schaltpläne.

Wie man sieht ist die Endstufe lang und schmal aufgebaut. Mit ca 200mm Länge über alles, 50mm Breite und ca. 30mm Aufbauhöhe eignet sie sich hervorragend zur Montage in Kühlkörpergehäusen oder Rückwänden von Aktivboxen.

Weiter fallen die vier potenten Leistungstransistoren von Sanken am rechten und linken Ende der Platine auf.

Es sind so genannte Ringemitter oder LAPT-Typen, zu denen auch die berühmten Sanken 2SA1195/ 2SC21922 im MT-200 Gehäuse gehören. In den 90er Jahren gab es eine regelrechte Flut an HighEnd Verstärkern, die mit diesen Transistoren bestückt waren, Burmester, AudioResearch, etc, etc.

Die 2SA1186/2SC2837 sind kleinere Brüder, die mit anständigen 100W Verlustleistung aufwarten und niederkapazitiver und schneller sind.

Das spielt in der speziellen Verschaltung als Sziklai-Paar, oder complementary Follower Pair (CFP) durchaus eine Rolle. Je ein Paar der Sanken bilden mit den mittig angeordneten Treibern 2SD669/2SB649 (Q5/Q9, ursprünglich von Hitachi/Renesas, heute vermutlich von ISC) die Sziklai-Paare.

Auch diese Transistoren gehören zu den besten, die an dieser Stelle einsetzbar sind. Sie und die Sanken als Sziklai-Paar in einer derart preisgünstigen Endstufe zu finden machte mich neugierig.

Gehen wir nun zum Eingang:

Das Audio Signal passiert zunächst ein Bandpass-Filter aus R14/C7 und C5/R18 und trifft dann auf den Transistor Q6, der mit Q8 einen Differenzverstärker-Eingang bildet. Er wird durch eine Konstantstromquelle aus Q1/Q3/R2 gespeist.

Q15 und Q16 kaskodieren den Differenzverstärker. Sie halten dessen Verlustleistung gering und sorgen für geringe Eingangskapazität und hohe Bandbreite. Gegen die negative Betriebsspannung finden wir einen Stromspiegel aus Q13/R26/Q11/R27. Er sorgt für hohe Symmetrie, hohe offene Schleifenverstärkung und gute Unempfindlichkeit gegen Störungen auf der Versorgungsspannung (PSRR).

Q12 bildet den Spannungsverstärkerteil (VAS), der den als Konstantstromquelle beschalteten Q4 als Arbeitslast sieht. Zwischen Q12 und Q4 befindet sich mit Q7/R10/R19/C6 die Vorspannungserzeugung zur Ruhestrom-Einstellung und -Regelung für die Endstufe. Als Besonderheit sei erwähnt, das der Ruhestromtransistor Q7 thermisch mit den Treibern Q5 und Q9 gekoppelt wird.

Er darf nicht(!) wie beim klassischen Darlington mit den Endtöpfen Q2/Q10/Q14/Q18 gekoppelt werden. Dadurch das die Treiber im Betrieb thermisch weitaus weniger variieren als die Endtöpfe ist der Ruhestrom stabiler. Der Ruhestrom der Endtöpfe wiederum wird durch die kurze knackige Gegenkopplungs-Schleife zwischen Treibern und Endtöpfen sauber stabilisiert. Durch diese Schleife verhält sich der CFP unter Grosssignalbedingungen auch linearer als ein Darlington, kann weiter ausgesteuert werden (höhere Effizienz) und benötigt nur die halbe Vorspannung zur Ruhestromerzeugung. Der optimale Ruhestrom/Arbeitspunkt ist auch nur etwa halb so gross, sodas die CFP-Endstufe insgesamt auch kühler bleibt. Schliesslich gleichen sich die immer vorhandenen Unterschiede im Verhalten von NPN und PNP Transistoren etwas aus, während sie sich beim Darlington multiplizieren.

Es gibt eigentlich nur wenige Punkte zu beachten.

Zum einen ist die CFP als kombinierter ´Super-Transistor´ langsamer und etwas schwinganfälliger. Der Kollektorwiderstand des Treibers (R4/R25) sollte möglichst klein im Wert bleiben. Die Endtöpfe sollten schnelle Typen, genauer, mit kleiner Eingangskapazität sein und die Induktivitäten und Streuinduktivitäten des Layouts und der Bauteile sollten gering sein.

Daher können kaum mehr als zwei  Endtöpfe parallel an einen Treiber geschaltet werden und es können Basis-Bremswiderstände notwändig werden um Oszillationen zu verhindern.

R15 und R17/C8 stellen den Verstärkungsfaktor ein. Gegen DC sorgt C8 für einen Rückgang der Verstärkung auf 1.

Das spart einen aktiven DC-Servo und funktioniert immer und zuverlässig.

Über die Kollektor-Basis-Strecke von Q12 ist ein 100pF Miller-Kondensator C11 zur Kompensation geschaltet. Ebenfalls der Kompensation dienen R30 und C14 zwischen den Kollektoren des Eingangs-Differenzverstärkers. Sie erhöhen ab einer bestimmten hohen Frequenz die openloop-Verstärkung was sich positiv auf die Stabilität (Phasenreserve) auswirkt.

Am Ausgang findet sich mit R21/C9 ein Zobel-Netzwerk (auch Boucherot-Netzwerk) das für eine sichere Belastung des Verstärkers auch bei hohen Frequenzen sorgt.

Zwischen Eingangs-Kaskode und Stromspiegel finden sich noch die als (Schutz-)Dioden geschalteten Q17/Q18.

Ebenfalls dem Schutz dienen D1 und D2. Eine induktive Last am Ausgang kann in den Ausgang zurück speisen mit der Folge, das die Ausgangsspannung die Betriebsspannungen übersteigt und die Transistoren durch ´Verpolung´ zerstört werden. Die Dioden begrenzen nun die Überspannung auf maximal ihre Flussspannung und fangen quasi die Überspannung weg (engl. Catcher-Diode).

R32/D3/C4 stellen die Vorspannung der Eingangs-Kaskode auf -5,1V ein.

Ansonsten finden sich nur noch ein paar Kondensatoren zur Entrauschung und Vor-Ort Abblockung der Betriebsspannungen.

Zwar lassen sich noch einfacher aufgebaute Verstärker finden, allerdings ist der hier getriebene Mehraufwand an den richtigen Stellen getrieben und sorgt für ein messtechnisch sehr gutes Verhalten.

Was im praktischen Betrieb auffällt ist, die unbedingte Stabilität auch in komplexe Lasten. Meine Elektrostaten sind mit bis zu -86° Phasendrehung ein absoluter Härtetest. Nicht nur treibt der Verstärker auch solche Prüflinge mit stoischer Stabilität, er bleibt auch akustisch sauber. Viele Verstärker ´verhärten´ im Klangbild an komplexen Lasten bereits lange bevor sie tatsächlich instabil werden.

Der Verstärker kann über einen weiten Bereich an Spannungen versorgt werden.

Mit einem 2x24V~ Trafo erzielt man gute 100W an 4Ohm, mit 2x32V~ Trafos sind es gut 100W an 8Ohm. Durch die vier Endtöpfe ist es auch möglich zwei Endstufen in Brücke zu schalten. Aus 2x24V~ Trafos versorgt sind dann gut 150W an 8Ohm und knapp 300W an 4Ohm möglich.

Gerade für Aktivboxen ist das eine interessante Kombination.

Mittel- und Hochton können über einzelne Endstufen und die Leistung-hungrigen Bässe über gebrückte Endstufen aus einem einzigen Netzteil mit den gleichen Betriebsspannungen versorgt werden. Das spart Kosten und Aufwand.